PATRIOT: FDP-Kritik nach Hackerangriff: „Stadt verharrt im Digital-Nirwana“

FDP-Kritik nach Hackerangriff: „Stadt verharrt im Digital-Nirwana“

VON  ECKHARD HEIENBROK AM 15. MÄRZ 2024 

Lippstadt – Scharfe Kritik an der nach seiner Überzeugung viel zu schleppenden Problembeseitigung nach der Cyberattacke auf die Südwestfalen-IT hat der Lippstädter FDP-Vorsitzende Jürg Haseloff geübt. Beim Parteitag am Donnerstagabend im Hubertushof sagte der Liberale, dass „die Stadt Lippstadt auch mehr als vier Monate nach dem Hackerangriff gegenüber dem Bürger im Digital-Nirwana verharrt“.

Es sei, sagte der ohne Gegenstimmen wiedergewählte Chef des 116 Mitglieder zählenden FDP-Stadtverbands, „nicht akzeptabel“, dass Bürger wie Politiker die Mitarbeiter der Verwaltung immer noch nicht direkt, sondern nur über die Telefonzentrale erreichen. Das Internet-Portal mit Mitarbeiterverzeichnis und allen anderen Informationsangeboten müsse „schnellstmöglich wieder online gehen“. Auch dass etwa für Politiker „Unterlagen aus der Vergangenheit nicht mehr recherchierbar sind, grenzt an aktive Behinderung der Ratsarbeit“, so Haseloff.

Auf den Ende Oktober erfolgten Hackerangriff auf den IT-Dienstleister für alle Kreise und Kommunen in Südwestfalen ging auch der FDP-Kreisvorsitzende Fabian Griewel ein. „Sehr viele Systeme funktionieren immer noch nicht“, forderte er deutlich mehr Tempo. Das dürfte sich ein Dienstleister, wenn er von einem Privatunternehmen gebucht würde, nicht leisten. Denn dann wäre er schnell weg vom Markt. Das Problem, so Griewel: „Die Kreise sind gleichzeitig Kunden und Inhaber von IT Südwestfalen“, eine Klage scheide daher aus.

Unabhängig von der Cyber-attacke forderte Jürg Haseloff, die Effizienz von Verwaltungsprozessen zu steigern und die „Digitalisierung von Leistungen für die Bürger voranzutreiben“. Zu den Stadtfinanzen sagte er, dass „wir nicht akzeptieren können, dass wir in Lippstadt sehenden Auges in die Haushaltssicherung steuern“.

FDP lässt offen, ob sie Moritz 2025 unterstützt

„Wir müssen uns mit neuem Realismus dem Klimawandel stellen“, plädierte Haseloff für eine Kurskorrektur vor Ort. Was in den von der Stadt verabschiedeten Klimasteckbriefen stehe, sei „nicht alles gleichzeitig zu haben“. So könne „das Leben nicht vollständig elektrifiziert“ werden, jedenfalls nicht solange grundlastfähige Versorgung und Stromnetze das nicht hergäben. „Die vollständige Elektrifizierung ist heute eine gefährliche und teure Phantasterei“, warnte Haseloff.

Dass „die Stimmung vielfach gegen die FDP“ sei, liegt nach seinen Worten auch daran, dass es den Liberalen im Bund „viel zu selten gelingt, ihre Erfolge in der Regierungsarbeit zum Bürger zu bringen“, etwa bei Gebäudeenergiegesetz, Haushaltspolitik und Generationenrente. In Lippstadt sei die FDP ein „gesuchter und verlässlicher Partner der großen Ratsfraktionen“ und habe „viel auf den Weg bringen können“.

So etwa die Änderung der Gestaltungs- und Werbesatzung für die Altstadt – der erste Antrag, den die bis dato stadtrats-unerfahrene Fraktion gestellt habe. Und auch an der Einigung beim Union-Gelände sei die FDP „maßgeblich beteiligt“ gewesen, wie Godehard Pöttker, Chef der Ratsfraktion, sagte.

Um neue Mitglieder zu gewinnen, setzen die Liberalen unter anderem auf die Veranstaltungsreihe „Ladies Voice“, mit der engagierte Frauen angesprochen werden sollen, das Sommerfest im August sowie das Format „Politik meets Pizza“, mit dem die FDP im Herbst den Wahlkampf für die Kommunalwahl 2025 eröffnet.

Keine Aussage trafen die Freien Demokraten entgegen jüngsten Ankündigungen dazu, ob sie im kommenden Jahr erneut Bürgermeister Arne Moritz (CDU) unterstützen. „Wir sind nicht immer einer Meinung mit der Verwaltung“, sagte Pöttker, dankte aber Moritz für die „wirklich gute Zusammenarbeit und Kommunikation“.

Mit Blick auf die sieben Parteien bzw. Gruppierungen im Stadtrat sprach der FDP-Fraktionschef von „sehr schwierigen Mehrheitsverhältnissen“. Pöttker: „Bei den Abstimmungen gibt es einen bunten Strauß an Ergebnissen, manchmal kurios, meistens aber mit gutem Resultat für Lippstadt.“

Den Neubau der Feuer- und Rettungswache sehen die Liberalen neben dem Stadthaus „als einziges Großprojekt“, das realisiert werden müsse. Unter „Schön zu haben“, aber nicht zwingend notwendig liefe dagegen die Therme, bekräftigte Pöttker die „eher ablehnende Haltung“ zu einem Neubau.

Bei der Bürgschaft fürs Kath. Krankenhaus habe sich die FDP in der Rosenmontag-Sitzung „überrumpelt gefühlt“, später dann „mit schlechtem Bauchgefühl“ der Fünf-Millionen-Bürgschaft zugestimmt. Die Liberalen hatten sie auf 3,5 Mio. Euro absenken wollen.

Bei den Wahlen wurden neben Haseloff auch sein Vize Christian Knopf, Schatzmeister Ralf Twillemeier und Schriftführerin Angela von Wengersky ohne Gegenstimme gewählt. Komplettiert wird der Vorstand von den Beisitzern Godehard Pöttker, Maria Pöttker, Franziska Eckert, Victoria Chudalla-Kuhnert, Chris Winkelmann und Dr. Torben Terweg.

Mandate & Moneten

Um die Parteifinanzen müssen sich die Lippstädter Liberalen keine Sorgen machen. Schatzmeister Ralf Twillemeier sprach von einer „komfortablen Kassenlage“. Die Kommunalpolitiker spenden sämtliche Aufwandsentschädigungen fürs Mandat (2023 über 18 000 Euro) – macht die Hälfte aller Einnahmen.